Soulages neu entdecken – „Eine andere Lichtquelle“ im Musée du Luxembourg

Ich gebe es zu: Ich dachte immer, Pierre Soulages malt nur schwarze Striche. Schwere, dunkle Flächen, die sich unerschütterlich über die Leinwand legen. Was für ein Glück, dass ich eines Besseren belehrt wurde – und zwar durch die Ausstellung „Soulages, une autre lumière. Peintures sur papier“ im Musée du Luxembourg in Paris.
Dank außergewöhnlicher Leihgaben aus dem Musée Soulages in Rodez sind hier 130 Arbeiten auf Papier zu sehen – viele davon zum ersten Mal öffentlich präsentiert. Und gerade in diesen Arbeiten zeigt sich eine oft übersehene Seite des Künstlers. Soulages’ Kunst hat nie etwas darstellen oder erzählen wollen. Seine Werke sind autonom, sie stehen für sich selbst. Sie repräsentieren nichts, außer das, was sie sind: Formen, Spuren, Flächen – vor allem aber ein Spiel von Schwarz und Licht.
Besonders spannend ist der Blick auf die Mittel, mit denen er arbeitete:
- Brou de noix – eine aus Walnussschalen gewonnene, tiefbraune Flüssigkeit, die er in den 1940er Jahren großflächig und gestisch auf Papier brachte
- Tusche und Gouache, die er übereinanderlegte, um Dichte, Kontraste und neue Schattierungen zu erzeugen
- Ab den späten Jahren kamen immer stärkertransparente Flächen ins Spiel, durch die das Papier selbst zum Mitgestalter wurde
Die Ausstellung ist in mehreren Abschnitten chronologisch aufgebaut, von den 1940er Jahren bis in die frühen 2000er Jahre. Dadurch lässt sich Soulages’ künstlerische Entwicklung wie in einem Zeitraffer verfolgen:
- Nachkriegszeit: das grobkörnige, rohe „Ur-Schwarz“ des Brou de noix
- 1950er/60er: rhythmische Erprobungen der Geste, Überlagerungen von Tusche und Gouache
- 1970er/80er: stärkere Strukturierung des Bildraums, Experimente mit Verdichtung und Transparenz
- Späte Jahre: eine fast leuchtende Schwarz-Weiß-Dialektik, bei der das Papier Licht durchscheinen lässt
Man merkt: Papier war für Soulages ein Experimentierfeld. Vieles, was später seine monumentalen Leinwandbilder prägte, hat er zuerst auf dem fragilen Träger Papier erprobt. Große Retrospektiven stellen meist die berühmten „Outrenoir“-Gemälde ins Zentrum. Diese Pariser Schau hingegen rückt endlich das autonome Werk auf Papier ins Licht.
Wer Soulages bisher nur mit wuchtigen schwarzen Leinwänden verbunden hat, wird hier überrascht: Auf Papier entfaltet sich eine andere, leichtere, intime Lichtquelle seines Schaffens. Für mich war es die schönste Lektion dieser Ausstellung – und der Beweis, dass auch das scheinbar „immer Gleiche“ voller unerwarteter Wandlungen steckt.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 11. Januar 2026 im Musée du Luxembourg in Paris.